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Frankfurter Rundschau, 19.07.2006
Blechbläserensemble "brass partout"
Für Engel ist überall Platz
VON ANNETTE BECKER
Engel können ganz unterschiedlich klingen. Vor allem, wenn der finnische Komponist Einojuanhi Rautavaara sie erdacht hat und ein Ensemble wie brass partout sie fliegen lässt, zum Beispiel in Playgrounds for Angels (1981) für zehn Blechbläser. Dann flattern und schwirren sie, rauschen und brausen, tönen und dröhnen, dass man sie leibhaftig zu sehen und gelegentlich gar zu fühlen meint. Dabei war die Kirche St. Gallus in Flörsheim eigentlich schon längst gut gefüllt, bestens besucht und bekanntlich nicht gerade arm an sakralen Figuren. Aber da für Engel überall Platz ist, passten die himmlischen Heerscharen auch noch problemlos hinein und bereicherten eines der ungewöhnlicheren Konzerte des Rheingau Musik Festivals mit ihrer geheimnisvollen Gegenwart.
Ungewöhnlich war das Konzert nicht nur deshalb, weil da eine große Blechbläserformation auftrat, und das im Rheingau auch noch zum ersten Mal unter ihrem eigenen Namen - obwohl die 1991 von Mitgliedern des Bundesjugendorchesters gegründete Formation in der Bläserwelt bereits seit langem Rang und Namen besitzt.
Aber anders als bei vielen anderen Ensembles, vor allem wenn sie in weltlichen Kontexten auftreten, war das Programm von brass partout bemerkenswert kapriolenfrei, Blech ohne Blödsinn, sozusagen. Statt dessen widmete man sich unter der inspirierten Leitung von Marius Stieghorst neben der eingangs genannten einzigen Originalkomposition des Abends hoch anspruchsvollen Arrangements von Henry Purcells Suite aus Abdelazer über Edward Elgars Severn Suite bis Ralph Vaughan Williams' Toward the Unknown Region, im zweiten Teil gefolgt von Rautavaaras Engeln, Elgars Chanson de nuit und Chanson de matin und Johannes Brahms' kontrastfreudigen Haydn-Variationen. Und auch wenn angesichts der bis zu zwölfköpfigen reinen Blech-Besetzung eine gewisse klangliche Monokultur zu beklagen war und die eine oder andere bekannte Holzbläser- oder Streicherpassage von parteiischen Menschen schmerzlich vermisst wurde: Hier passierte Enormes, trotz Hitze und Frack.
Nicht ohne Grund sind alle Ensemble-Mitglieder längst auch einzeln unterwegs und spielen in namhaften Orchestern oder interessanten Projekten. Technisch verlässlich, dynamisch durchlässig und vor allem mit unbändigem Spielwillen und Entdeckerfreude gesegnet sind sie. Und mancher kann gar, was nicht jeder kann. So entpuppte sich der zierliche Trompeter Yosemeh Adjei bei der Zugabe als astreiner Altus und sang, dezent von den Kollegen begleitet, als Vorbote der Weihnachtszeit die Händel-Arie Lascia ch'io pianga. Engelsrein.
Rhein-Main-Zeitung vom 18. Juli 2006
Spiel mit den Hörgewohnheiten von
André Domes
Blechbläserensemble "brass partout" im Rahmen des Rheingau Musik-Festivals in der Galluskirche
FLÖRSHEIM Die Flörsheimer "Galluskirche" ist nicht nur für die heimische Reihe der "Gallus-Konzerte" ein begehrter Spielort, auch das "Rheingau Musik Festival" macht seit einigen Jahren regelmäßig Station in der Barockkirche. Am Sonntagabend präsentierte die renommierte Konzertreihe das Blechbläserensemble "brass partout", das in der ausverkauften Kirche ein vielgestaltiges Programm zeigte. Von barocken Kompositionen bis in die zeitgenössische Musik hinein zeigte sich das zwölfköpfige Orchester als überaus wandelbarer Klangkörper, der sich anhaltenden Applaus vom Publikum verdiente.
Chronologisch, aber vor allem britisch, gestaltete sich die erste Hälfte des Programms. Passend zur historischen Spielstätte eröffnete "brass partout" mit barocker Festlichkeit. Henry Purcells "Suite aus Abdelazer" brachte neun Miniaturen, meist mit tänzerischer Form in den Kirchenbau. Bereits beim Einstieg entwickelten die Musiker um Leiter Marius Stieghorst ein extrovertiertes Klangbild, das auch die folgenden Konzertbeiträge begleiten sollte.
Das 1991 gegründete Ensemble zeigte keine Scheu, die große dynamische Spanne der Instrumente auch voll auszunutzen, ohne dabei aber je über das Ziel hinaus zu schießen. Im Gegenteil: Wie von erfahrenen Orchestermusikern zu erwarten, vermittelte "brass partout" den Eindruck eines äußerst diszipliniert und einfühlsam agierenden Orchesters.
Mit einem Block rund um die Romantik angesiedelter Kompositionen beendeten die Bläser die erste Konzerthälfte. Zunächst brachte Edward Elgars "The Severn Suite" mit starker Bildhaftigkeit und Emotionalität einen deutlichen Kontrast zu den starken Formalismen des zuvor Gehörten. Eine Bearbeitung des Chorwerks "Toward the Unknown Region" von Ralph Vaughan Williams skizzierte dann bereits die Entwicklung hin zur Moderne, der "brass partout" mit dichtem, stellenweise auch pathetisch druckvollem Spiel Nachdruck verlieh.
Nach der Pause begrüßte das Ensemble die Besucher mit dem wohl unkonventionellsten Beitrag zurück im Programm. Bei "Playgrounds for Angels" des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara lotete man die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente fast zur Gänze aus, spielte mit Halbton-Interferenzen ebenso wie mit den Hörgewohnheiten des Publikums. Eine stark fragmentierte Form und ständige Wechsel in der Farbigkeit, in der sich Rautavaaras Nähe zu seinem Lehrer Aaron Copeland manifestierte, verlangten von Musikern wie Zuhörern gleichermaßen hohe Konzentration.
Fast schon entspannend wirkte der epochale Schritt zurück zu Edward Elgar und Johannes Brahms. Insbesondere mit dem finalen Werk, Brahms "Variationen über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur" brachten "brass partout" noch einmal die Strahlkraft eines bemerkenswert vielseitigen Bläserensembles in die Galluskirche.
Mindener Tageblatt, 25. Januar 2000
Bläserische Klasse
- 'brass partout' brillierte in der Martinikirche
Sich auf dem boomenden
Markt für Bläserensemble zu behaupten muss ein schwieriges Unterfangen
sein. Umso mehr, weil es an erstklassigen Formationen kaum mangelt.
Deshalb blickte man mit Spannung auf brass partout, das sich in der Martinikirche
vostellte und eine Menge Werbung für sich und die eingespielte CD machen
konnte. Denn die aus mehreren Spitzenmusikern deutscher Sinfonieorchester bestehende
Bläsergruppe (mit Trompeten, Hörnern, Posaunen und Tuba) zeigte sich
als brillant aufgelegte Mannschaft, die den ausgewählten Kompositionen
mit viel Feingefühl auf den Leib rückte.
Ungewöhnlich bereits die Auswahl der Tonsetzer. Wer bringt schon Grieg,
Sibelius und Elgar mit Bläsermusik in Verbindung? Mutig die Hinzuziehung
zweier recht umfangreicher zeitgenössicher Werke. Wer wüsste nicht,
dass mit Eingängigerem leichter ein Publikumserfolg zu erzielen ist. Doch
um den vordergründigen Beifall ging es brass partout nicht, die
abseits der bekannten Repertoirepfade wandelnde Programmfolge formulierte den
Anspruch und konnte ihn weitestgehend einlösen. Interessant die zum Auftakt
praktizierte Idee, vier Einzelsätze von Jean Sibelius zu einem sinfonieartigen
Gebilde zu verknüpfen. Da spielte ein Septett klangschön und doch
konturscharf, mit Biss und klanglicher Empfindsamkeit.
Der Trauermarsch zum Gedenken an Rikard Nordraak von Edvard Grieg folgte. Bläserischer
Bombast bei doch abgerundetem Klang und kammermusikalischer Zurücknahme
mit subtilen Farbwirkungen war zu vernehmen. Grieg vielleicht zu sehr auf Kosten
der Nachdenklichkeit musiziert, doch ein erhebendes Erlebnis allemal. Dann Michael
Nyman: 'For John Cage' arbeitet viel mit Klangflächen und fordert die solistischen
Fähigkeiten der bis zu elf Musiker aufs Höchste. Nymans Opus, einer
Fraktion extrem zahmer Modernisten anhängend, hatte Vitalität und
technische Akkuratesse.
Dahinter gingen die kurzen Stücke von Edward Elgar - sauber und mit lyrischem
Empfinden gespielt - fast unter. André Previns 'Triolet' von 1984 wusste
in der Wiedergabe von brass partout ebenfalls zu gefallen. Das kompositorisch
unausgewogen wirkende Werk mit Spannung zu erfüllen, ihm eine musikalische
Daseinsberechtigung zu verschaffen, das gelang dem von Hermann Bäumer dirigierten
Bläserensemble vorzüglich.
Das furiose, in der Gestik an seinen Berliner Chef Claudio Abbado erinnernde
Dirigat von Bäumer war hier Ansporn genug. Klar, dass ohne eine Zugabe
für brass partout kein Entkommen war. Udo Stephan Köhn
Das Orchester 4/1999 Fallingbostel:
Blechbläserensemble
'brass partout' Von Barockklängen bis hin zum Jazz
... Im Kurhaus begeisterte
... das Blechbläserensemble brass partout im Rahmen der Meisterkonzerte
das Publikum mit majestätischer Herrlichkeit aus Posaunen und Trompeten.
Die zehn jungen, engagierten Blechbläser fanden sich 1991 zusammen, um
die Freude an der Kunst des Ensemble-Blechblasens zu pflegen. Presse und Rundfunk
wurden schnell auf die Musiker aufmerksam und rühmten die Reife und Technik
der Guppe unter der Leitung von Hermann Bäumer, Mitglied der Berliner Philharmoniker. brass partout, deren Mitglieder heute unter anderem als Stimmführer
auf ersten Pulten in führenden deutschen Orchestern tätig sind, glänzten
mit ihrem Können schon auf vielen Bühnen Deutschlands. Das Repertoire
umfasst heute mehr als Werke, die in abwechslungsreichen und unkonventionellen
Zusammenstellungen interpretiert und auch modernisiert werden.
Brillante Klänge aus vier Trompeten, vier Posaunen, Horn und Tuba, sowie
Piccolo-Trompete und Flügelhorn beeindruckten in einem Programm unter dem
Motto 'weihnachtlich festliche Bläsermusik des Barock', wobei auch Werke
der Renaissance und Kompositionen des 20. Jahrhunderts erklangen. Bei Renaissance-Tänzen,
komponiert von Claude Gervaise (um 1500) und Pierre Attaignant (1494-1552) blieb
durch stimmigen Einsatz der Blasinstrumente der traditionelle Tanzcharakter
erhalten. Mit drei Weihnachtsliedern fŸr Posaunenquartett kam Grösse und
Klangvolumen der Posaunen, gespielt von Andreas Klein, Axel Maucher, Ulrich
Oberschelp und Nils M. Schinker, voll zur Entfaltung.
Die vorgetragenen Haydn-Variationen von Johannes Brahms - bearbeitet von der
Schottin Lorna McDonald - sind ein Choralthema. Das gefühlvolle melancholische
Zusammenspiel von Horn (Jochen Ubbelohde), Tuba (Alexander von Puttkamer) und
Posaunen wurde aufgehellt durch den erhebenden Ruf der Trompeten verschiedener
Tonlagen (Uwe Köller, Ulrich Riehl, Raphael Mentzen, Mario Schlumpberger),
spielerische Elemente des Barock kamen zum Ausdruck, wobei hohe melodische Trompetentöne
und die festlich ruhigen Klänge von Horn und Tuba das Werk schmückten.
Mit einem Stück aus [Engelbert Humperdincks] ... 'Hänsel und Gretel'
verstanden es die Musiker, einfühlsam eine winterliche 'Abendstimmung'
zu verbreiten. Bekannte Weihnachtsmelodien in Jazz- und Swingrhythmen beendeten
das Klangerlebnis, was von den Besuchern im ausverkauften Kursaal mit Jubel
und Applaus gewürdigt wurde. sl (Walsroder Zeitung)
Neue Westfälische Zeitung Bielefeld, 5. März 1997
Philharmonisch brillant
gespielt
Bielefeld. Zum 90jährigen
Bestehen ihres Posaunenchors bereitete die Petrikirchengemeinde sich und den
in Scharen angelockten Blechbläserfreunden ein Fest, ausgerichtet vom Ensemble brass partout. Längst sind aus den Mitgliedern im Bundesjugendorchester
allesamt Profis in namhaften Orchestern geworden. Man hat sich im Konzert der
boomenden Brass-Formationen etabliert und eigenständig positioniert, wobei
die Zehnerbande nach Philip-Jones-Vorbild (vier Trompeten, vier Posaunen, Horn
und Tuba) inzwischen um zwei Hörner auf zwölf aufgestockt wurde und
sich in der ausnehmend seriösen, aller Ohrwurm-Arrangements und U-Musik-Bonbons
abholden Programmgestaltung ein nahezu philharmonischer Klanganspruch spiegelt.
Dazu passt, dass Hermann Bäumer, der aus Bielefeld stammende Posaunist
bei den Berliner Philharmonikern, im Dirigierstil frappant an Maestro Daniel
Barenboim erinnert. Man könnte gar auf die Idee kommen, dass dessen anfechtbar
blechstrotzende 'Tristan' ÐNeuaufnahme mit den 'Berlinern' auf Bäumers
Klangideal abgefärbt hat, wenn sein Ensemble mehr denn je auf Hochglanzpolitur
und effektvollste Brillanz zu setzen scheint. Jedenfalls hat der Rezensent die
sechs 'Londoner Miniatures' von Gordon Langford vom letzten brass partout-Auftritt
in der Schildescher Stiftskirche irgendwie 'britischer', mehr mit Understatement
als klangsinfonisch oversized, in Erinnerung. Und vielleicht sollte zwischen
einem Marsch aus der Spätrenaissance (Byrd-Zugabe) und einem in Griegscher
Hochromantik ansatzweise differenziert werden.
Genug der ästhetischen Erwägungen. An makelloser Spieltechnik, Klangkultur
und Ensemblegeist geriet der gefeierte Konzertabend natürlich begeisternd.
Auftakt mit J.S.Bach, einer Satzfolge aus den Englischen und Französischen
Suiten: Wahrlich nichts zum Warmspielen, sondern, wie sich das 'schwere' Blech
in den Fugati von Präludium und Gigue dahinstieben federleicht macht, eine
virtuose Offenbarung, während Allemande und Sarabande viel und dichte Atmosphäre
entwickelten. Edward Elgars zwei Orchester-Chansons von 1901 vereinten romantisches
Feeling mit ausgefeilter Melodizität. Ähnlich triftig hatte Bassposaunist
Ulrich Oberschelp auch die drei Orchesterstücke aus Griegs Bühnenmusik
zu 'Sigurd Josalfar' eingerichtet, wo bald samtene, bald stramme (mit Becken
und Triangel) Festlichkeit einen raffinierten ausgemalten Alptraum einschloss.
Neue Musik, bei vielen ein blosses Lippenbekenntnis, ist bei brass partout ein fester Programmpunkt. 'Answered?' heisst ein von ihnen 1994 uraufgeführtes
Stück André Cezannes, das als Hommage an Charles Ives so hochambitioniert-artifiziell
alte Formen (Fuge, Passacaglia) hinterfragt, wie es statt wohlfeiler Antworten
eine hier in bravouröser Dringlichkeit realisierte Ð Verstörungskraft
parat hat.
Dafür wurde nach Beifall im Fortissimo die Frage nach einem Wiederhören
präzis beantwortet. In diesem Jahr und zwei Wochen wird das Ensemble in
der Petrikirche erneut zu Gast sein. Michael Beughold
Rhein Main Presse, Montag, 2. Oktober 1995
Strahlend, flink und
weich - 'brass partout' eröffnete die Saison auf Henkellsfeld
cm. - Klanglich wirklich
überall und durch die Musikgeschichte Englands wandernd, war brass partout im Saal auf Henkellsfeld vertreten. Das junge Brass-Ensemble wurde 1991 von
Mitgliedern des Bundes-Jugend-Orchesters gegründet und spielt unter der
Leitung von Hermann Bäumer, Bassposaunist der Berliner Philharmoniker.
Die jungen Musiker boten einen wahrhaft strahlenden Abend, beginnend mit Henry
Purcells Suite zu 'Abdelazer'. Die Triller und Verzierungen kamen flink und
hell von den Trompeten und spielten über einem Klangteppich der tiefen
Bläser, weich unterstützt durch das Horn (übrigens die einzige
Musikerin Sybille Mahni). In die Tiefen ging es bei Benjamin Brittens 'Russian
Funeral' (im Original mit zusätzlichem Schlagzeug, welches hier wegfiel)
Dunkel beginnend legte sich die melancholische Melodie der Posaune über
die tiefen Töne. Langsam übernahmen die Trompeten das immer weiter
in die Höhe getragene Thema. Dass Musiker durchaus vielseitig begabt sind,
zeigte sich in den nächsten beiden Programmpunkten. Ulrich Oberschelp,
einer der Posaunisten, hatte das Chorwerk 'Toward the unknown region' von Ralph
Vaughan-Williams arrangiert. Die 1907 uraufgeführte Kantate war eines seiner
ersten berühmteren Werke. Diese unbekannte Landschaft macht Angst, aber
auch neugierig und somit mutig. Ob nun Trompeten oder Posaunen, ob Tuba oder
Hörner, die Klangfarbe der Blechblasinstrumente traf den Charakter des
Stückes auch ohne gesungenen Text. Das zweite von Oberschelp arrangierte
Werk ist Edward Elgars 'Chanson de nuit' und 'Chanson de matin', ursprünglich
für Violine und Klavier (1897) und später in einer Orchesterfassung
überliefert. Spätestens hier wurde jedem klar, wie weich und ruhig
die Musiker ihre Instrumente zum klingen bringen konnten. Dies bestätigte
auch Greensleeves, allgemein bekannt, ob gesungen oder instrumental, mit Gitarre
oder Flöte, hier also mit 'Brass'. Wunderbar weich aus dem Hintergrund
hervortönend das Eingangssolo für Horn (S. Mahni), bis dann die Posaunen
das Thema aufnahmen. Den Abschluss bildete André Previns 'Triolet', wo
im 3. Satz eine Fanfare so erklung, wie man Blechbläser sonst zu kennen
glaubt. Dass in den einzelnen Stücken Dämpfer benutzt wurden, ist
klar, doch bei den Interludes I und II fiel die Hektik (Dämpfer rein -
Dämpfer raus) erstmals auf und liess das Publikum schmunzelnd beobachten:
der Schlussakkord sollte klar und laut sein, also den Dämpfer schnell zwischen
die Knie geklemmt, ansetzen und - es klappte hervorragend! Die Instrumentalisten
mussten selbst lächeln über die von ihnen sicherlich schon öfter
hervorgerufene Reaktion des Publikums. Ein Extralob dem Dirigenten: Bäumer
hatte mit einer locker verschmitzten Art alles unter Kontrolle, reagierte prompt
und erfahren, forderte mehr Lautstärke, wenn nötig, gab Einsätze
und hatte einfach alles im Griff. Bleibt der Wunsch: weiter so und der Tip:
bitte demnächst mit gebügeltem Frack!
Wiesbadener Kurier, Montag, 2. Oktober 1995
Ergriffen vom festlichen
Glanz - Auftakt auf Henkellsfeld mit 'brass partout'
Festlich und golden begann
auf Henkellsfeld die neue Konzertsaison mit dem Ensemble brass partout.
Jeweils vier Trompeten und Posaunen, zwei Hörner und Tuba. Die Orginalliteratur
für eine derartige Besetzung ist beschränkt. Man hilft sich also mit
Arrangements. Das Blechbläser-Ensemble wurde 1991 von Mitgliedern des Bundes-Jugend-Orchesters
gegründet. Hermann Bäumer, der Leiter, ist heute Bassposaunist der
Berliner Philharmoniker.
Im schönen, akustisch tragenden Marmorsaal also 'nur' Blech und vorwiegend
Musik aus England. War das nicht ein Wagnis? Keinesfalls. Die Instrumente wurden
diffizil und farbenreich zum Klingen gebracht. Intonationsmässig makellos
und rhytmisch haarscharf. Wie schön setzte sich doch immer wieder die hohe
Gruppe der Trompeten gegen die mehr gedeckten Klänge der Posaunen und der
Tuba ab. Und die warmen, runden Horntöne im Mittelgrund. Die vielsätzige
Suite from 'Abdelazar' von Henry Purcell erinnerte an die einstmals rein adligen
Aufgaben der Messinginstrumente. Man war sofort gepackt, ehrlich gesagt auch
ergriffen vom faszinierenden Festklang. Nach dieser Komposition des berühmtesten
englischen Komponisten der Vergangenheit folgte ein Stück des herausragenden
englischen Tonsetzers des 20. Jahrhunderts; 'Russian Funeral' übrigens
eine Originalkomposition von Benjamin Britten. Schwermütig, später
von Fanfaren aufgehellt und schliesslich wieder in die Grundstimmung zurückkehrend
erfüllte es den Raum. Ralph Vaughan-Williams (1872-1958) war noch der Spätromantik
verhaftet. Seine SpezialitŠt, die Tonmalerei, gelang während des Stückes
'Toward the unknown Region' den Brass Partoutisten vorzüglich. Die beiden
Stücke 'Chanson de nuit' und 'Chanson de Matin' von Edward Elgar (1857-1934)
sind ursprünglich für Violine und Klavier gesetzt und wurden später
orchestriert, Eine weitere Version war das Blech. Ihr lyrischer Charakter ging
dabei keineswegs flöten. Apropos: Wer hat nicht schon alles 'Greensleeves'
auf der Blockflöte probiert? Ein unsichtbares Horn (ein mysteriöses
Einhorn?) blies die Melodie im Hintergrund. Und die Kollegen mit den Kesselmundstücken
variierten es behutsam. Schliesslich, ähnlich wie anfangs, eine lebendige
Satzfolge mit 'Triolet' von André Previn, Jahrgang 1930. Reizvolle Rhythmen,
musikalischer Witz, überhaupt Vielseitigkeit des Ausdrucks, tänzerischer
Duktus und wechselnde Farben, vielfach durch Därnpfer in den Schalltrichtern
(was bei der Tuba nicht ganz unkomisch aussieht) erreicht, gehen unter die Haut
und in die Glieder. Das Publikum war begeistert und erhielt zum Dank noch einen
Marsch von Elgar als Zugabe. Helmut Hampel
Badische Zeitung Freiburg, 30. September 1995
'brass partout' in
Tiengen - Festlich
Mit seiner Volltönigkeit
und Vollstimmigkeit bildet das Blechbläserensemble ein würdiges instrumentales
Pendant zum Männerchor: Das klingt schon beim ersten Ansatz, beim ersten
Ton, das füllt unschwer selbst weite Säle, das hüllt in verschwimmenden
Hall ein und verströmt überdies stets einen Hauch erhebender Festlichkeit. brass partout, eine junge Formation aus ehemaligen Blechbläsern des Bundesjugendorchesters,
wusste sehr wohl um seine glänzende musikalische Überredungsgabe,
als es jetzt in elfköpfiger Besetzung und unter Leitung seines Gründers
Hermann Bäumer im Tiengener Tuniberghaus auftrat. Und das Spiel mit wechselnden
Registern, changierenden Farben, dynamischer und rhythmischer Feinarbeit beherrschen
die überaus genau intonierenden, konzentrierten Musiker tatsächlich
nahezu perfekt; zumal Benjamin Brittens 'Russian funeral' lebte davon.
Dass Henry Purcells 'Abdelazer'-Suite mit Streichern interessanter klingt als
im eher statischen Klang-Gewand eines Blechbläser-Ensembles, sei nur am
Rande angemerkt. Schliesslich ging es an diesem Abend weniger um feinste agogische
Differenzierungen denn um ein strahlendes Exempel bester Blechbläser-Kultur,
das brass partout bis hin zu André Previns ironischer Sektion
eines Militärmarsches ('Chubbs' im 'Triolet') immer wieder glänzend
statuierten. Susanne Benda
Saarbrücker Zeitung, 08.Juni 1993
viel musikalischer
Humor - 'brass partout': Eliteensemble gastierte in St. Wendel
Eine ausserordentlich
vielfältige Darbietung lieferte kürzlich das junge Blechbläserensemble brass partout in der Aula des Arnold-Janssen-Gymnasiums von St. Wendel. brass partout, das sind zwölf ehemalige Mitglieder des Bundesjugendorchesters
und Preisträger des \Vettbewerbs 'Jugend musiziert', die seit 1991 erfolgreich
konzertieren.
Mit alten französischen Tänzen aus der Sammlung von Claude Gervaise
und des Verlegers und Druckers Pierre d'Attaingnant aus der Mitte des 16. Jahrhunderts
wurde das Konzert eröffnet. Weich und rund, aber auch schmetternd und metallisch
glänzend, klangen die Instruinente. Sehr lebendig gestalteten die Musiker
Lautstärken- und Tempoabstufungen. Der Engländer Malcom Arnold, geboren
1921, bekannt als Verfasser einer 'Ouvertüre für elektrische Bodenreinigungsgeräte
und grosses Orchester', war der Komponist des zweiten Werkes, der 'Symphony'
fŸr Bläser. In dieser Symphony gibt Arnold, ehemaliger Solotrompeter der
Londoner Philharmoniker, allen klanglichen Raffinessen eines modernen Bläsersatzes
wieauch seiner
beträchtlichen kompositorischen Phantasie Raum.
Ausgezeichnet, wie die jungen Musiker unter der sicheren und inspirierenden
Leitung von Hermann Bäumer dieses schwierige Stück bewältigten.
Der für England so typische musikalische Humor kam im zweiten Teil des
Konzerts so recht zum Zuge. Gordon Langford, Verfasser der sechs 'London
Miniatures', schrieb eine Musik beträchtlicher Ironie. So nahm der Komponist
in dem Stück 'Horse Guard Parade - March' etwa - die immer gleichen musikalischen
Floskeln und Muster von Märschen aufs Korn.'Tree Brass Cats' wurden dem
Publikum zum Schluss vom Katzenfreund, Toningenieur und 'Hobbykomponisten' Chris
Hazell wirkungsvoll vor Ohren
gestellt. Das begeisterte Publikum erklatschte sich zwei Zugaben. gj
Der Tagesspiegel, Sonnabend, 20. Juli 1991
Musikalischer Kosmos
Ein neues Blechbläserensemble
in der Königin-Luise-Gedächtniskirche in Schöneberg Eine Premiere
im eher klein gehaltenen Rahmen und doch schon unüberhörbar ein ausgesprochen
vielversprechender Auftakt: Ganze vier Tage nach seiner offiziellen Gründung
in Berlin konzertierte das Blechbläserensemble des Bundesjugendorchesters
erstmalig in der relativen Abgeschiedenheit der Schöneberger Königin-Luise-Gedächtniskirche,
deren hoher Rundbau sich rein akustisch als ideale Spielstätte erwies.
Ob die zwölf jungen Musiker im Alter von 17 bis 26 Jahren nun zukünftig
auch konzertante Grosstaten im ganz anderem Rahmen anstreben oder nicht - sie
werden wohl von selbst auf das Ensemble zukommen.
Das runde Dutzend unter der künstlerischen Anleitung von Hermann Bäumer,
Bassposaunist der Bamberger Symphoniker, scheint nämlich mit seinem mächtigen,
tragenden Instrumentenklang für weit grössere Hallen oder Open-Air-Darbietungen
wie geschaffen zu sein. Das heisst nicht, dass dem Klangkörper oder seinen
Untergruppen feinere Zwischentöne abgehen; spätestens bei der reichhaltigen,
differenzierten Klangfarbenmalerei von Henk Badings' Blechbläserquartett
werden die Möglichkeiten dieses Kammermusikensembles auch im Pianobereich
nuancenreich deutlich. Und doch sieht der ein wenig vorausdenkende Zuhörer
die jungen Musiker vor seinem geistigen Auge speziell schon an manch luftigem
Ort wie etwa in der Berliner Waldbühne oder beim nächsten Gartenfest
des Bundespräsidenten machtvoll intonieren.
Von der Breite des Repertoires stehen den Bundesjugendbläsern ohnehin nahezu
alle Möglichkeiten offen, das machte schon dieser Abend zwischen Renaissance
und Swing, zwischen Barock und impressionistischer Tontupferei deutlich. In
puncto technischer Virtuosität, Reinheit des Klanges sowie Präzision
des Zusammenspiels dürfte das Bläserdutzend schon kurz nach seiner
Gründung auch höchsten Anspröchen genügen. Eine gewisse
Frische haben sich die jungen Tonkünstler dabei bewahren können -
für einen der ganz seltenen Patzer gibt's hier auch schon mal ein keckes
Grinsen vom Nebenmann. Das Programm soll wohl möglichst viele Epochen,
Facetten und Genres anklingen lassen und gerät deshalb ein wenig überladen.
Der Autolärm von draussen hat sogleich keine Chance mehr, sobald das Ensemble
beim tänzerischen Reigen von Tillmann Susatos 'Danserye' aus dem 16. Jahrhundert
erst mal rhythmischen Tritt gefasst hat. Ein besonderes Bravourstück, wie
die Musiker das klangmächtige Pathos der 'Ronde' immer nur andeuten, dann
aber mit fast jazziger Verspieltheit abfangen und vor musealer Überhöhung
bewahren, solch interpretatorischer Ansatz könnte fast schon Programm bei
dem Newcomer-Ensemble sein.
Nach der Pause ist es dann vor allem Jim Parkers komplexe Stilmixtur und Hörbild-Collage
'A Londoner in New York' von 1938, die besonderen Beifall findet. Hermann Bäumers
prägnanten Erläuterungen verdanken wir auch hier genauere Kenntnisse
über die Entstehung und die Hintergründe dieser kompakten Kompositionsfolge,
die von den 'Echos of Harlem' bis zu 'Cenral Park' und 'Radio City' einen ganzen
musikalischen Kosmos aufschliesst. Die Durchbrechung manch konzertanter Konvention
gehört zu den angenehmsten Eindrücken dieser verheissungsvollen Ouverüre.
Jochen Metzner
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